KARL-HEINZ STRÖHLE
"FROM TOKYO"
Ausstellungseröffnung Do. 11. September 2014 | 19:30 Uhr
Der Künstler ist anwesend
Es spricht Dr. Thomas Mießgang
Ausstellungsdauer 11|09|2014 - 11|10|2014
Fotos der Ausstellungseröffnung
Im Frühjahr kehrte Karl-Heinz Ströhle von seinem mehrmonatigem Aufenthalt in Tokyo, der ihm durch ein Stipendium des Bundesministeriums ermöglicht worden war, nach Wien zurück. Mit im Gepäck hat der gebürtige Bregenzer neue Arbeiten, die unter dem Einfluss der Situation in Japan entstanden sind. Eine Auswahl dieser für ihn typischen Monoprints zeigt die Galerie.Z in Hard ab September.
Karl-Heinz Ströhle ist Absolvent der Hochschule für Musik und darstellende Kunst am Mozarteum in Salzburg sowie der Universität für angewandte Kunst in Wien, wo er bei Bazon Brock studierte. Seine künstlerische Laufbahn startete er mit " Streifenbildern", die vornehmlich in Schwarz- Weiß gehalten waren und entfernt mit Strichcodes assoziiert werden können.
Das von ihm entworfene Baunetz mit abstrakten Streifenmustern, das die Baustelle des neuen "vorarlberg museum" umhüllte, erinnert an diese Phase. Während dieses Kunstprojekt zwangsläufig temporärer Natur war, sind die auf dem Streifenmuster basierende Gestaltung der Seilbahnstationen der Golmerbahn im Montafon ( 1995), die diesem Prinzip folgende Wandmalerei im Stadtspital Dornbirn (1999) und auch die Fassade der Kulturbühne "Am Bach" in Götzis (2000) exemplarisch als dauerhafte Beispiele für Kunst im öffentlichen Raum anzuführen.
Lockere Assoziationen
Die Bilder, die er während seiner Zeit in Tokyo gefertigt hat, versteht er als lockere Assoziationen zur Situation vor Ort. Ebenso wie seine trotz stabilem Trägermaterial fragil wirkenden Objekte ein unsicheres Gefühl evozieren, ist nach seinem Empfinden die gespannte Wachsamkeit der Bevölkerung in dem seismographisch sensiblen Gebiet allgegenwärtig. Vor diesem Hintergrund und in Kenntnis der latenten Erdbebengefahr schuf er Werke, in die er seine Eindrücke aus dem alltäglichen Leben in Tokyo einfließen lässt. Mit seiner reduzierten Formensprache, die zu seinem Markenzeichen geworden ist, nimmt er eine der traditionell japanischen Kultur entgegengesetzte Position ein. "In Japan dominiert der Manga-Stil, wo alles ziemlich bunt und schrill ist", beschreibt Ströhle die nationaltypische Ausdrucksform.
Das Erscheinungsbild der Städte bezeichnet er als recht hässlich, was durch das chaotische Wirrwarr an Drähten und Leitungen noch verstärkt werde. Diese ungeordneten Linien greift er auf, um sie in seine Formensprache zu übersetzen. Technisch gesprochen handelt es sich dabei um Monoprints. Zur Verdeutlichung seiner Erfahrungen in Japan verweist der Künstler auf einen literarischen Text von Sabine Gruber.
Es fällt nichts, und ich schlafe ruhig. Schlafe eine Nacht, zwei. Schlafe mit dem Katzenwels. Mit den Krähen, die mich am Morgen erschrecken, wenn sie die Schnäbel aufreißen und krächzen, gequält, als schlüge man nach ihnen. Schlafe mit den Singvögeln, die hier nicht singen, sondern quietschen wie Gummispielzeug.
Schlafe, obwohl der Lärm der immer wachen Stadt stärker ist als die Müdigkeit. Obwohl der Katzenwels unter mir die Augen öffnet.
Schlafe und spüre meine Füße, die noch immer wandern, gehe durch einen Wald voller gezöpfter Baumstämme und träume mich auf die Kopfhaut eines Riesen.
In der dritten Nacht höre ich den Wind aus Nordwesten, sehe die Glasscheiben von den Hochhäusern fliegen, höre das Splittern, das Aufprallen der Ziegel. Der Katzenwels liegt unruhig, schlägt seinen Körper hin und her. Meereswellen rasen gegen die Küste. Laternen und Verkehrsampeln lassen ihre Köpfe hängen.
Es fällt nichts, und ich wache auf. Wache mit dem Katzenwels. Mit den Krähen, die über den Ästen flattern. Wache und liege starr, als könnte das Gewicht meiner Angst die Wellen ausgleichen, die mein Bett in die Nacht tragen.
Sabine Gruber
Die Erschütterung oder Der Katzenwels des Edo-Bebens